Videoberatung werde von Banken überschätzt – Ein Artikel dazu erschien am 24. August 2015 im IT-Finanzmagazin. Juliana Hartwig, Leiterin von Strategie und Redaktion bei Faktenkontor, bezieht sich dabei auf eine kürzlich veröffentlichte Studie von EY und stellt das Potenzial der Beratung über den Online-Kanal in Frage.
Die Grundthesen des Artikels:
- Beratung per Videochat sei nur für 8 Prozent der deutschen Bankkunden von Interesse.
- Der allgemeine Umgang mit Online-Medien für Deutsche im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt sei durchaus kein Neuland, daran könne es also nicht liegen.
Das spiegeln auch die Zahlen der Studie der renommierten Unternehmensberatung wieder:
Jedoch lassen sich die Zahlen auch anders interpretieren, sobald man ein paar mehr Aspekte in die Betrachtung mit einbezieht.
Freizeitkommunikation und sensible Daten gehören nicht in einen Topf
Mit dem Thema Video-Chat verbinden viele die Software Skype. Seit 2003 auf dem Markt, wird Skype zurzeit von 9% aller Deutschen genutzt, Tendenz leicht sinkend. Dass sich Skype auf dem absteigenden Ast befindet, ist jedoch nicht verwunderlich bei der gut aufgestellten digitalen Konkurrenz, die zum Teil ähnliche Services anbieten:
Viele Banken, Versicherungen oder andere Branchen mit beratungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen versuchen, mit Skype auf den Zug der Videoberatung aufzuspringen – jedoch ohne signifikanten Erfolg. Wir denken: zurecht, denn Skype eignet sich nicht sehr gut für professionelle Beratung:
- Beschränkung auf Video- und Chat-Funktion
- Software-Download ist notwendig
- Komplizierte Kontaktaufnahme zum Unternehmen
- Kein ausreichender Datenschutz
- Abneigung, professionelle Kontakte über Skype zu pflegen
Die Tatsache, dass Skype offenbar als einzige Lösung für Online-Beratung gesehen wird, bestätigt, wie wenig die meisten über die tatsächliche Bandbreite unterschiedlicher Angebote Bescheid wissen. Es zählt leider zu einem der verbreiteteren Fehler, wenig in die Digitalisierung investieren zu wollen. In unbekanntes Land steckt man eben kein Geld, bevor es sich rentiert. Dass Skype dabei eine denkbar schlechte Lösung ist, ist nicht weit her geholt, zumal bereits speziell für die Beratung von Finanzdienstleistungen zugeschnittene Software-Lösungen auf dem Markt sind. Zum einen beschränken diese sich nicht ausschließlich auf das Face-to-Face-Gespräch, sondern bieten viele nützliche Tools, die sehr nah an die Gegebenheiten einer Vor-Ort-Beratung heranreichen. Außerdem ist das Vertrauen in diese spezialisierten Anbieter deutlich höher und könnte das tatsächliche Potenzial, das in den stolzen 64 % des Internets als am häufigsten genutzter Kommunikationskanal steckt, ausschöpfen. Sich mit dem Bankberater in einem Videochat zu unterhalten, statt in einer Filiale, ist nicht zuletzt noch für viele fremd. Es fehlt der überzeugende Initialkontakt, hier müssen Unternehmen mit Marketing- und Vertriebsaktivitäten den Kunden das neue Angebot bewerben und ihnen vor allem die Angst nehmen, es einmal auszuprobieren.
Zwischen relevanten und nicht-relevanten Kundensegmenten unterscheiden
Die Studie von EY kommt zu einem entscheidenden Faktor, der die Spielregeln in der Kundenberatung neu definiert: Die Kundensegmente. Unterteilt sind diese in das Segment mit Wachstumspotenzial und ohne. Zu ersterem und unschwer als zukunftsträchtiger zu bezeichnenden Segment zählen junge, aufstrebende und moderne Kunden. Diese haben mit 24% deutlich mehr Interesse an Videoberatung.
Zwar macht dieses Kundensegment in Deutschland einen geringeren Anteil aus, als ältere, traditionelle Basiskunden, jedoch ist laut der Studie das Durchschnittsvermögen auch mehr als doppelt so hoch. Warum also hält man es mit dem Potenzial der Videoberatung nicht ebenso, wie man es mit anderen Unternehmensstrategien macht, die man nach den ausschöpfbaren Marktkriterien ausrichtet?
Das Kundensegment mit Wachstumspotenzial bringt vor allem einen Anspruch an Banken, über den EY schreibt:
„Banken müssen hohe Beratungsqualität und flexible Verfügbarkeit auch außerhalb der Filialöffnungszeiten sicherstellen (…). Impulse können hierbei die Serviceangebote anderer Branchen geben. Wichtige Voraussetzung(en) (ist) die nahtlose Integration der Vertriebskanäle – der Fokus liegt dabei auf individuellen Mehrwertleistungen im Online- und Mobilbereich.“
Diese jungen, erfolgsversprechenden Kunden verlangen also nach individuellen und flexiblen Angeboten „auch außerhalb der Filialöffnungszeiten“. Ein solcher Service dürfte ohne Videoberatung allerdings schwer sein.
„Das Internet ist nur ein Hype“ – Bill Gates
Neben Skype und anders interpretierbaren Zahlen spielt aber auch noch ein weiterer Aspekt eine nicht unbedeutende Rolle. 1995 verlor der Microsoft-Gründer mit seiner Fehleinschätzung des Internets fast den Browserkrieg und wurde damit zum Paradebeispiel dafür, dass sogar Erfolgspersonen wie Gates sich täuschen können – mit gravierenden Folgen. Nicht alles lässt sich mit Blick auf gegenwärtige Zahlen begründen oder widerlegen, besonders dann nicht, wenn es um Innovationen geht. Diese benötigen anfangs zumeist eine längere Anlaufphase, bis sie die große Masse erreichen. Viel interessanter als der Blick auf gegenwärtige Zahlen wäre also die Betrachtung der Entwicklung – und die betitelt Videoberatung durchaus mit Potenzial. Analysen und Studien, die bereits im Finanzsektor durchgeführt wurden, bestätigen, dass Videoberatung immer mehr Akzeptanz bei den Kunden findet – und dass vor allem verändertes Kundenverhalten und –bedürfnisse dafür verantwortlich sind.
Digitalisierung ist eben präsent – warum sie ignorieren?
An diesem Punkt wird klar, dass sich das Digitalisierungsthema im Kundenkontakt auch von einer ganz anderen Seite beleuchten lässt. Wir leben in einem Zeitalter, in dem unser gesamtes Umfeld geprägt ist von Digitalisierung. Dabei beeinflussen unsere Bedürfnisse ihr Voranschreiten ebenso wie umgekehrt und es ist niemandem geholfen, diese nicht zu leugnenden Entwicklungen zu ignorieren.
Erfahren Sie hier mehr über die Videoberatung.