„Solide sollte der Schutz bei der privaten Krankenversicherung sein“. Das Manager Magazin attestiert dieser jedoch derzeit eine „schwache Brust“, die vielerlei interne und externe Laster zu tragen hat.
Unser zweigliedriges, duales Krankenversicherungssystem sieht die Koexistenz von gesetzlichen (GKV) und privaten Krankenkassen (PKV) vor, wobei letztere genau genommen keine Krankenkassen, sondern privatwirtschaftliche Unternehmen sind. Genau das ist ihre Achillesverse, wenn es um externe Angriffe geht: mit exogenen Faktoren wie der Konjunktur und der Niedrigzinsphase haben sie besonders zu kämpfen. Derzeit kommt da einiges zusammen, was unterm Strich zu einer saftigen Beitragserhöhung für alle 8,83 Millionen Voll- und 23,93 Millionen Zusatzversicherten führt. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich geht davon aus, dass diese sich auf bis zu 20% belaufen wird – ein bitteres Los für die Versicherten. Zumal sie die Suppe auslöffeln müssen, die sich die privaten Krankenkassen selbst versalzen haben.
Konjunkturhoch als Rückschlag für PKV
An Gründen, die für eine Beitragserhöhung sprechen, mangelt es aus Sicht der privaten Kassen wahrlich nicht. Da wären zum einen exogene, wie der diesjährige Job-Boom in Deutschland. Was eigentlich positiv zu bewerten ist, bedeutet für die privaten Kassen paradoxerweise einen enormen Rückgang der Selbstständigen und somit einen Rückgang derer, die sich privat versichern lassen. Da wäre auf der anderen Seite die andauernde Niedrigzinsphase, die die Kassen in die Knie zwingt. Diese können das Geld ihrer Kunden kaum noch so rentabel anlegen, wie zuvor. Laut Morgen & Morgen lag der Zins im Schnitt bei unter vier Prozent, was Versicherungen im Umkehrschluss dazu veranlasste, mit erhöhten Beiträgen bei Bestandsverträgen die Unkosten auszugleichen.
Zusatzversicherungen und Billig-Policen entscheidende Last-Produkte
Zuletzt wurde über die Ergo heiß diskutiert, als diese die klassische Lebensversicherungspolice strich – und zeigte so, wie sehr sich die Nachfrage verändert hat und nun Druck auf Versicherungen ausübt. Margenarme Billig-Policen und kleinteilige Zusatzversicherung befinden sich zunehmend auf dem absteigenden Ast, die Kunden wollen komplexe, umfangreiche, aber vor allem individuelle Produkte. Der Verzicht auf eben dieses Kleingeschäft bedeutet nun aber vor allem eines: einen derben Rückschlag im Neugeschäft. Der Markt hat sich auch für die privaten Krankenkassen noch nicht vollständig ausgerichtet. Wo ein Marktsegment wegfällt, muss ein anderes entstehen; die Mammutaufgabe der Kassen.
„Diese Honorarverhandlungen zeugen von einer unglaublichen Verantwortungslosigkeit.“
Für den Gesundheitsexperten Michael Hennrich von der CDU stehen die privaten Kassen zudem unter dem Verdacht, Deals zu Lasten Dritter zu verhandeln. Konkret meint er damit die Verhandlungen der PKV mit Ärzten, bei denen letztere in Honorarverhandlungen zweistellige Zuwachsraten ausgehandelt hatten. Ein Desaster ist das nicht nur für Hennrich, sondern vor allem für die Versicherten. Mit den steigenden Honorargebühren steigen zwangsläufig die Beiträge. Mit Füßen getreten sehen sich dabei neben den Gutverdienern allen voran die vielen kleinen Beamten, für die die Beitragserhöhung kaum zu stemmen sein dürfte. Probleme sehen zudem die Bundesländer, die mit finanzieller Beihilfe entgegensteuern müssen. Hennrich findet dazu klare Worte: „Diese Honorarverhandlungen zeugen von einer unglaublichen Verantwortungslosigkeit.“
Wo bleibt die Strategie?
Die aktuellen Vorkommnisse bei den privaten Krankenkassen lassen viele Versicherte ratlos zurück und Fragen offen. Wie Morgen & Morgen in einem Krankenkassenranking die Lage analysiert, haben sich im aktuellen Jahr fünf Krankenkassen verschlechtert, wodurch nur noch vier Versicherungen mit dem Prädikat „Ausgezeichnet“ versehen werden können. Eine bittere Erkenntnis. Auch wenn Geschäftsführer Peter Meier betont, dass die Bewegung im Ranking als positiv zu bewerten sei, tröstet dass nicht über die dunklen Wolken hinweg. Die Frage, wie die Zukunft der Versicherer aussehen wird, stellt sich dieses Jahr besonders oft. Vielleicht liegt es daran, dass trotz der erwarteten Veränderungen im Kundenbedürfnis, Produktsegment und Markt-Umfeld der privaten Kassen eine klare Strategie auf sich warten lässt. Stattdessen gehen die Verantwortungslosigkeit, wie sie Hennrich den Kassen zusprach, und die unzureichende Reaktion auf exogene Einflüsse zu sehr auf Kosten derer, von denen Erfolg und Misserfolg der privaten Krankenkassen maßgeblich abhängen: Die Versicherten.