Sie heißen Netdoctor, Onmeda, DocResponse oder Healthwise und stellen Wissenschaftler der Harvard Medical School in Boston vor ernüchternde Erkenntnisse. Die Rede ist von Online-Diagnoseplattformen. Gibt man dort seine Beschwerden an, werden einem mögliche Erkrankungen angezeigt. Natürlich mit der passenden Behandlung.
Die Plattformen sind maßgeblich verantwortlich dafür, dass das Internet zunehmend zur ersten Anlaufstelle für medizinische Beschwerden aller Art wird. Was erst einmal sehr skurril klingt, schließlich geht es hierbei um unsere Gesundheit, hat vor allem zwei Folgen, die nicht unerheblich für Patienten und Ärzte sind.
Die unangenehmen Begleiterscheinungen des Internets
Im Zeitalter des Internets ist es bequem, schnell und einfach, Dr.Google und Co bezüglich körperlicher Beschwerden zu Rate zu ziehen. Man spart den Weg zum Arzt, lästige Wartezeiten im Wartezimmer und damit unter Umständen einen freigenommenen Arbeitstag. Da könnte man meinen, es wäre bei dieser Entwicklung von großem Vorteil, dass bereits speziell auf medizinische Diagnosen ausgelegte Plattformen auf dem Markt sind. Schließlich sind Suchmaschinen doch nicht gerade für zuverlässige Richtigkeit in allen Suchergebnissen bekannt. Tatsächlich liegen aber auch diese mit bis zu 66% Fehldiagnosen viel zu oft daneben.
Die Wissenschaftler aus Boston haben dazu eine Reihe dieser Plattformen getestet, indem sie diese mit Symptomen bestimmter Krankheiten fütterten. In vielen Fällen wurde das tatsächliche Krankheitsbild nicht einmal unter den ersten zwanzig möglichen Diagnosen angezeigt. Das könnte zu fatalen Folgen führen, etwa, wenn ein tatsächlich Erkrankter nach einer solchen Fehlauskunft zur Eigenbehandlung zurückgreift, anstatt einen Arzt aufzusuchen. Dass solche Fälle durchaus schwerwiegende Folgen haben können, liegt auf der Hand.
Aus der Mücke einen Elefanten machen – oder aus Schnupfen den sicheren Tod
Jedoch auch das andere Extrem nimmt durch den Trend besorgniserregende Ausmaße an. Der Begriff der Hypochondrie besteht ja bereits lange, jedoch führte die Internet-Konsultation zur Einführung eines unschönen weiteren Effektes: Cyberchondrie. Die Hemmschwelle, sich im Internet über ein mögliches Krankheitsbild zu informieren ist gerade bei Menschen, die bereits zu Hypochondrie neigen, deutlich geringer. Das Internet schürt also Angstzustände von durch Beschwerden geplagte Menschen und führt dazu, dass bereits erste Selbsthilfegruppen für diese Art Suchterscheinungen ins Leben gerufen wurden.
Zäumt man das Pferd von der anderen Seite auf, kann der Internet-Diagnose Trend aber auch zu weitreichenden Folgen für Ärzte führen. Viele harmlose Beschwerden werden in schwerwiegende Erkrankungen übersetzt und lassen Menschen unnötig Ärzte aufsuchen, wo es auch eine Schmerztablette getan hätte. Gerade in ländlichen Regionen, in denen die wenigen existenten Arztpraxen ohnehin mit einem hoffnungslosen Patienten-Überfluss konfrontiert sind, ist das nicht unbedingt hilfreich für eine Entwicklung, die sowieso bereits in weitreichender Kritik steht.
Das Internet ist und bleibt erste Anlaufstelle
Was auf den ersten Blick ein Problem des Internets ist, ist aber vor allem eins von fehlenden Alternativen neben dem konventionellen Arztbesuch. Das Internet ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und die Bequemlichkeit wird zwangsläufig immer wieder zum Besuch der Plattformen führen. Anstatt also einer ohnehin nicht zu verhindernden Tatsache entgegenwirken zu wollen, wäre es also deutlich zielführender, dem Problem eine Alternative entgegen zu stellen. Online-Beratung von tatsächlichen Medizinern anzubieten, wäre eine solche. Zwar sind eHealth Entwicklungen noch immer vom Fernbehandlungsverbot in Deutschland eingeschränkt. Für eine erste Einschätzung der Notwendigkeit eines Arztbesuches könnte ein derartiges Angebot jedoch auch jetzt schon umsetzbar sein.
Für psychisch erkrankte Patienten besteht bereits eine Testphase für online-Sprechstunden an einem Neusser Klinikum. Diese brachte bis jetzt nicht nur Vorteile für Erkrankte in Hinsicht auf Flexibilität und Verkürzung der Wartezeiten, besonders in Notfällen. Auch die Entlastung der Psychologen und die Versorgung aller Erkrankter trotz Therapieplatz-Knappheit sind erfreuliche Effekte des Angebots. Diese Möglichkeiten können auch in der allgemeinmedizinischen Versorgung gesehen werden.
Entschärft man also die Gründe, sich auf Diagnose-Plattformen medizinischen Rat einzuholen und stellt dem ein gewinnbringendes Angebot entgegen, könnte das einigen Mängelerscheinungen in der Gesundheitswirtschaft entgegenwirken. Vielleicht bewirken sie sogar ein generelles Umdenken und Öffnen gegenüber eHealth.
Was andere Branchen daraus lernen können
Unsere Gesundheit ist sicher der wundeste Punkt, wenn es um das unkontrollierbare Medium „Internet“ geht. Weitet man die Überlegungen aus, können sie jedoch auch für Branchen wie den Finanzsektor eine entscheidende Rolle spielen. Denn neben der eigenen Gesundheit gehören auch die eigenen Finanzen und sensible Daten im Allgemeinen vor unseriösen Online-Angeboten geschützt. Für die Verwaltung des Bankkontos oder das Abschließen von Versicherungspolicen muss es ein würdiges Beratungskonzept geben, dass Verbraucher davor schützt, unseriösen Plattformen zum Opfer zu fallen. Denn egal um welches Thema es geht: Das Internet ist und bleibt erste Anlaufstelle und Informationsmedium.
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